150 Jahre Freiwillige Feuerwehr Harvesse - Von der Ledereimer-Brigade zur modernen Einsatzeinheit
Die Gründerjahre (1875-1914)
Als 1874 die braunschweigische Regierung zur Gründung freiwilliger Feuerwehren aufrief, war das kleine Harvesse mit seinen gerade mal 131 Einwohnern sofort dabei. Gemeindevorsteher Heinrich Meyer – ein echter Macher, der dem Dorf bereits Kirche, Schule und die prächtigen Luther- und Wilhelm-Eichen geschenkt hatte – trommelte 13 mutige Männer zusammen. 1875 war es soweit: Die Freiwillige Feuerwehr Harvesse war geboren!
Zwei Jahre später wurde es ernst: Die erste Handdruckspritze mit Saugwerk und 30 Meter Druckschlauch rollte ins Dorf. Dazu bauten sie ein schmuckes Spritzenhaus mit Turm zum Schlauchtrocknen am alten Kirchhof. Die Ledereimer und eisernen Einreißhaken der Vorväter wanderten ins Museum – äh, wurden erstmal aufbewahrt.
Die Feuertaufe kam schneller als gedacht: Schon am 31. Juli 1876 rückten sie zum ersten Einsatz nach Bortfeld aus. Als erste am Brandort retteten sie einen kompletten Bauernhof – was für ein Start! Heinrich Meyer bekam 1885 sogar das Verdienstkreuz 2. Klasse des Ordens Heinrichs des Löwen für seine Verdienste. Die Harvesser waren mächtig stolz!
Krisenjahre und Kaiserzeit (1900-1918)
1908 ging's drunter und drüber: Hauptmann Christel Stahl schmiss nach fünf Monaten hin, sein Nachfolger lehnte ab, dem nächsten verweigerte die Kreisdirektion die Bestätigung. Gustav Brennecke übernahm, hielt vier Jahre durch und warf dann auch das Handtuch. Die frustrierten Kameraden beschlossen 1912 kurzerhand, die Wehr aufzulösen und die Restkasse zu "vertrinken" – echter Harvesser Galgenhumor!
Doch die Behörde machte den Spaß nicht mit. Fünf Tage später wurde wieder gewählt, Christel Stahl kam zurück, und noch im selben Jahr feierten sie ihr 38. Stiftungsfest mit zwei Festzelten, während ringsum die Herbstmanöver des 10. Armeekorps tobten. Die Krise war überwunden!
Fun Fact: Die Harvesser trugen nie das übliche Feuerwehremblem auf dem Helm, sondern den Preußischen Stern vom Roten Adlerorden – Diese Extrawurst musste sein! Ihre Schläuche waren übrigens so gut, dass sie heute noch im Feuerwehrmuseum Hannover bewundert werden können.
Durch zwei Weltkriege (1914-1945)
Im Ersten Weltkrieg hielten Ersatzleute die Stellung, während die aktiven Kameraden Weihnachtspakete an die Front bekamen. 1936 gönnte sich die Wehr eine neue Kleinmotorspritze – modernste Technik! Der Zweite Weltkrieg forderte mehr: Frauen und Jugendliche sprangen ein, Fliegeralarm und Bombennächte bestimmten den Alltag. Die Wehr rückte aus nach Braunschweig (mehrfach!), Rosenthal, Waggum – überall, wo es brannte und krachte. 1945 standen nur noch 11 Mann bereit für den Neuanfang.
Wirtschaftswunder und Modernisierung (1950-1975)
Die 50er Jahre brachten frischen Wind: 1951 neues Spritzenhaus, 1952 großes Jubiläumsfest zum 75-jährigen Bestehen. Die Technik explodierte förmlich: 1959 Alarmsirene (endlich!), 1960 Tragkraftspritze Typ Metz plus Trockenlöschgerät. Vier moderne Rohrbrunnen ersetzten die alten Ringbrunnen.
1965 kam der große Tag: Motorisierung! Ein nagelneuer VW-Tragspritzenfahrzeug rollte vor – Schluss mit Handwagen ziehen! Schaumlöschgerät (1965) und vierteilige Steckleiter (1967) komplettierten die Ausrüstung.
Das Jahrhundert-Jubiläum (1975-1976)
Das 100-jährige Bestehen 1975 warf seine Schatten voraus – und sorgte für Zoff! Klein feiern in der Schule oder groß auf dem Saal? Die Diskussion wogte hin und her. Ortsbrandmeister Heinrich Gödecke wollte nach 10 Jahren aufhören, also wurde Günter Jacke schon 1974 gewählt. Der ließ abstimmen: 22 für kleine Feier, 16 für große.
Doch dann kam alles anders! Erich Böttger im Festausschuss hatte Verbindungen, Festzelte waren gar nicht so teuer, Landkreis und Gemeinde spendeten vierstellig – plötzlich war doch ein Großfest angesagt! Am 1. Mai-Wochenende 1976 stieg die Party des Jahrzehnts: Kommers mit Landrat und Prominenz, Tanzabend in zwei Zelten, großer Umzug mit Spielmannszügen. Dieses Fest setzte Maßstäbe und begründete die Tradition der Volks- und Schützenfeste bis heute!
Katastrophen und neue Technik (1975-1990)
Die Waldbrandkatastrophe 1975 in der Heide zeigte: Ohne Funk geht nix! Dumm nur, dass der VW nur 6 Volt hatte, Funk brauchte 12. Also musste 1984 ein Mercedes-TSF her – mit Funk, versteht sich!
Beinahe-Katastrophe gefällig? Auf dem Harvesser Gelände der Salzgitter Gas AG brannte ein Tankwagen beim Befüllen. Die Harvesser verhinderten einen Flammenrückschlag in zwei Hochtanks mit je 120.000 Litern Flüssiggas. Wäre das hochgegangen, hätte es Mittel- und Oberdorf weggeblasen!
Die 80er revolutionierten auch die Einsatzkleidung: Schwarze Helme und Filzröcke? Schnee von gestern! Orange Jacken und reflektierende Helme waren angesagt. Das alte Gerätehaus platzte aus allen Nähten – 1986 bauten die Kameraden in 1200 Stunden Eigenleistung den alten Schulschuppen um. Ortswappen als Ärmelabzeichen und zwei Handsprechfunkgeräte (1991) machten die Wehr komplett.
Neue Herausforderungen (1990-2010)
1992 kamen Atemschutzgeräte – endlich Schluss mit Rauch fressen! Nach 18 Jahren übergab Günter Jacke 1993 an Lothar Gödecke, der bis 1999 führte. Die Sirene wanderte 1996 ins Mitteldorf (endlich hörten alle den Alarm!), 1997 piepsten die ersten Funkmeldeempfänger.
Bernd Hlawa übernahm 1999 und krempelte die Ärmel hoch: Das Wohnhaus der alten Schule wurde frei – perfekt für ein neues Gerätehaus! 2800 Stunden Eigenleistung und 42.500 Euro später (die Küche zahlte die Wehr selbst!) stand 2003 ein Schmuckstück mit Schulungsraum, Küche und Bad.
Das Jahr 2000 brachte gleich mehrere Premieren: Die erste Frau in der aktiven Wehr! Eine neue BMW Fox Tragkraftspritze zum 125-jährigen Jubiläum! Und einen großen Kommers mit Landrat, bei dem ordentlich gefeiert wurde. Die Wehr zählte jetzt 46 Mitglieder.
Digitalisierung und Familie (2000-2020)
2004 kaufte die Wehr per Umlage Kettensäge und Tauchpumpe selbst – Eigeninitiative war Trumpf! Neubürger wurden persönlich angeschrieben, Info-Nachmittage mit Kaffee und Kuchen organisiert. 2006 übergab die Feuerwehr nach 30 Jahren die Organisation der Volksfeste an den neuen Heimatverein – endlich Entlastung!
2009 ging's online: feuerwehr-harvesse.de war geboren! Die Leitstellen fusionierten, Alarmgruppen wurden gebildet – Harvesse und Neubrück rücken seitdem gemeinsam aus. Der selbstgebaute Schlauchwechsellader fasst 300 Meter B-Schlauch – "Modul Wasserförderung" heißt das offiziell.
2011 der Knaller: Kinderfeuerwehr! 17 Kids beim ersten Treffen, schnell waren es 19 mit Warteliste! Die Zukunft war gesichert. Beim 850-jährigen Ortsjubiläum 2010 stellte die Wehr Fußballmannschaften, baute Dorfeingangstore und feierte ihr eigenes 135-jähriges Bestehen.
2013 Gingen die Kinder der KF dann in eine neu gegründete Jugendfeuerwehr über, während andere Kinder die Kinderfeuerwehr auffüllten.
Corona und Comeback (2020-heute)
Corona traf hart: Fehlende Gemeinschaft, verwirrende Vorschriften, Verunsicherung. Einige zogen sich zurück, die Kinderfeuerwehr litt unter monatelangen Versammlungsverboten. Kinder suchten sich andere Hobbys – und blieben dabei.
Doch 2024 kam das Comeback: Platz 2 bei den Gemeindewettbewerben – bestes Ergebnis ever! Die Einsatzabteilung ist 2025 sehr dünn besetzt, doch durch 6 Neueintritte haben wir wieder Hoffnung geschöpft das wir auch das 151. Bestehen feiern können.
Fazit: Tradition trifft Moderne
Von 13 Männern mit Ledereimern zu einer schlagkräftigen Truppe mit modernster Technik – die Harvesser Feuerwehr hat sich gewandelt, ohne ihre Seele zu verlieren. Die Schläuche im Museum, der Preußische Stern auf dem Helm, die legendären Feste – das ist Geschichte. Modernes Löschfahrzeug, Atemschutz, Kinderfeuerwehr – das ist Gegenwart. Und die Zukunft? Die wird genauso spannend wie die letzten 150 Jahre!